Hans Martin Hitzelberger genannt Hansmarte

geboren am             30.06.1890

gestorben am          09.03.1963

 

Normalerweise werden nur Persönlichkeiten, die sich um ihre Heimatgemeinde besonders verdient gemacht haben, mit einen eigenen Straßennamen bedacht. Es ehrt die Gemeinde Pfronten, daß sie damit auch einen Mann herausgehoben hat, dessen Leistung für die Öffentlichkeit eigentlich nur darin besteht, daß er ein „echter Pfontner“ war.

 

Gemeint ist der „Hansmarter“, dessen vollen Namen kaum einer kennt, weil man ihn in ganz Pfronten nie anders nannte. Der „Hansmarter“ hieß in Wirklichkeit Hans Martin Hitzelberger und kam am 30.06.1890 in Pfronten-Berg zur Welt. Er übernahm von seinem Großvater den Bauernhof mit der alten Hausnummer 185 (Kirchsteige 12) und ein Fuhrgeschäft, das - in einer Zeit, wo noch keine Dampflokomotive zwischen Pfronten und Kempten verkehrte - mit einem eisenbereiften [!] Pferdewagen die verschiedenen Güter zwischen den beiden Orten transportierte. Man nannte das Gefährt daher den „Kempter Wagen“. Auch der junge Hans Martin Hitzelberger wird wohl noch dann und wann nach Kempten gekommen sein, denn in Schelldorf lernte er die Berta Walch kennen, die er im Jahre 1921 heiratete.

 

Das Hauptgeschäft vom Hansmarter aber war der innerörtliche Verkehr: Hitzelberger transportierte alles, was für ein kleines Handwägele zu groß oder zu schwer war. Mal holte er Langholz aus dem Vilstal, mal brachte er Kohlen ins unterste Steinach - und wenn erwünscht - kutschierte er auch Sommerfrischler durch die schöne Pfrontener Landschaft. Auch Dr. Fischer, zusammen mit dem alten Sanitätsrat Dr. Hiller praktizierender Arzt in den 30er Jahren, schätzte seine Dienste, wenn er in einer Winternacht zu einem Patienten gerufen wurde. Angesehen war Hitzelberger aber auch bei den Lausbuben des Ortes, die bisweilen als „blinde Passagiere“ von hinten auf den Wagen sprangen, nicht zur Freude vom Hansmarter. Wenn es zu viele waren, dann konnte es schon vorkommen, daß er mit der Geisel nach hinten schnalzte und das unerbetene Pack handgreiftlich vertrieb. Sonst aber wird der Hansmarter als friedlicher und sanfter Mensch beschrieben.

 

Regelmäßig sah man ihn noch viele, viele Jahre, nachdem das Auto als Verkehrsmittel Roß und Wagen längst überholt hatte. Hitzelberger transportierte nämlich täglich die Milch der Berger Bauern nach Ried in die Käsküche. Ich habe es selbst noch gesehen: Einmal war die Kirchsteige durch Schneeregen etwas rutschig geworden. Da hat der Hansmarter einfach einen Bengel durch die Speichen seiner Hinterräder geschoben. Man kann sich das Gequitsche des Gefährtes leicht ausmalen, aber effektiv war die Methode schon!

 

Der Hansmarter war ein langer, hagerer Mensch. Mit diesem Aussehen war er geradezu prädestiniert als Fahnenjunker der Veteranen. Ein besonders imposantes Bild gab er aber ab, wenn er auf dem Kutschbock ein Brautpaar um Haupteslänge überragte. Nicht so zu diesem Anblick wollten allerdings die Rösser vom Hansmarter passen. Durch die viele und strenge Arbeit waren sie recht dürr und ausgemergelt. Als einmal ein Bauer seine Tochter hier verheiratete, erschrak der vor den Kleppern und meinte, er hätte wohl besser seine wohlgenährten, niederbayerischen Rösser mitgebracht.

 

Er soll auch ein liebevoller Vater gewesen sein. Seinen zum Militärdienst eingezogenen einzigen Sohn soll er - mit dem Rad - in der Kaserne (Mittenwald?) besucht haben. Beim Abschied habe er gefühlt, dass er ihn nicht wiedersehen werde. Tatsächlich ist der Sohn bald darauf gefallen. Da ging der Martin Hitzelberger zum Ortsgruppenleiter und sagte: „S wär gscheitr gewese, ma hät de Hitler vrschosse!“ Aber der Ortsgruppenleiter hat den Hansmarter gottseidank nicht „hingehängt“.

 

Hans Martin Hitzelberger, ein echtes Pfrontener Original von Schrot und Korn, starb am 9.03.1963 an einer Lungenentzündung. Ganz unprosaisch holte seinen Leichnam eine Benzinkutsche ab, wo er doch fast ein halbes Jahrhundert lang alle Pfrontener mit seinem altertümlichen Leichenwagen zur letzten Ruhe befördert hatte.

Die Kommunionskinder von Ösch und Steinach wurden vom Hansmarter nach St. Nikolaus und zurück kutschiert. Das Bild entstand 1943 in Pfronten-Ösch bei "Bäre", Tiroler Str. 57.

Hansmarter bei einer seiner Hauptbeschäftigungen, dem Transport von Milchkannen. Das Bild entstand in Berg auf der Kirchsteig.

 

Mit dem Tod von Hans Martin Hitzelberger endete in Pfronten das Gewerbe des Fuhrwesens endgültig. Seit dem 16. Jahrhundert gab es in Pfronten Personen, die als Fuhrunternehmer im Fernhandel reich wurden und damit zur Pfrontener Oberschicht gehörten. Einem alten Bericht zufolge hatten sie 30 bis 40 Pferde. Zeitweise waren alle vier Konzessionen der sogenannten „Kemptener Staffel“ an Pfrontener Fuhrleute vergeben. Sie bedienten die Strecke von Ulm über die „obere Straße“ nach Venedig. Als „obere Straße“ wird die Route über den Reschenpass, Bozen und Trient nach Venedig bezeichnet. Die Fuhrleute charakterisierten diese Strecke wie folgt: „Nauders, Ort des Schauders, Mals ist noch nicht al(le)s, in Schlanders wirds schon anders, in Meran fängts Paradeis an“.  In den Sterbematrikel von Pfronten kann man viele Namen entdecken, die auf dieser Strecke gestorben, oder tödlich verunglückt sind. Aber auch aus den Traumatrikel von Pfronten geht hervor, dass viele Eheleute aus Orten an der Fuhrroute nach Pfronten heirateten. Der Bau der Eisenbahn nach Ried leitete dann das Ende dieses Gewerbe ein. Vor allem als später auch noch die Lücke zwischen Pfronten-Ried und Garmisch-Partenkirchen geschlossen wurde.              

Text und Bilder von Heimatverein Pfronten und Privat