Tiroler Straße, Allgäuer Straße und Kemptener Straße
„Hauptstraße“ hat also der Verkehrsweg zwischen der südlichen und nördlichen Gemeindegrenze geheißen und dieser Name war berechtigt, denn sie war seit dem Mittelalter immer die wichtigste Straße durch Pfronten. Als Teil der Fernverbindung zwischen Inntal und Ulm und auf beiden Seiten noch weit darüber hinaus war es eine sogenannte Reichsstraße. Dieses Wegenetz unterstand dem König, der im Wesentlichen für den Unterhalt und die Sicherheit zu sorgen hatte. Dafür erhielt er den Zoll. Da der Herrscher sich aber nicht um alle Straßen selbst kümmern konnte, belehnte er Territorialherren, durch deren Hoheitsgebiet die Reichsstraßen führten, mit der Ausübung des sogenannten Geleits. Das hatten in unserem Gebiet die Herren von Hohenegg auf ihrer Burg oberhalb von Vils. Ihr Abschnitt begann bei Heiterwang und endete an der Rottach bei Oy. 1449 erklärten die Hohenegger, dass ihnen das Geleit- und Zollrecht länger zustünde als „jemand erdenken möchte“.
Dass den Bischöfen von Augsburg als Landesherren von Pfronten und Nesselwang das ein Dorn im Auge war, liegt auf der Hand. Sie versuchten deshalb immer wieder, auf der vielbefahrenen Straße in ihrem Territorium selbst Zoll und Weglohn einzunehmen. Das ergibt sich aus verschiedenen „Straßbriefen“ zwischen 1449 und 1649. Darin wird zwischen den Herrn von Hohenegg einerseits und den Augsburger Bischöfen andererseits die Einnahme eines Zolls bzw. Weglohnes zu Pfronten zwischen dem Reichenbach und dem Vogelbach vertraglich geregelt. Die Leidtragenden waren dabei sicherlich die Vilser Frächter, denen eine weitere Abgabe aufgebürdet wurde. Sie verweigerten deshalb des Öfteren die Bezahlung des Weglohnes in Pfronten, weshalb der Bischof ihnen die Wegnahme der „Ketten“ oder der Zugtiere androhte. Aber auch die Pfrontener erlitten durch die Differenzen großen Schaden. Denn die Vilser ließen ihnen weniger Fuhren des lukrativen Salztransportes zukommen als den Pfrontenern vertraglich zugestanden hätte. So stand es mit der guten Nachbarschaft zwischen beiden Orten nicht zum Besten.
Nachdem der Bischof schon einen Weglohn einzog, war er natürlich auch zur Instandhaltung der Landstraße, wie man die alte Reichsstraße nun immer öfters bezeichnete, verpflichtet. Diese Aufgabe überließ er der Pfarrgemeinde Pfronten, die von der bischöflichen Regierung für ihre Arbeit viel zu wenig bekam. So jedenfalls war ihre immer wieder vorgebrachte Beschwerde. So wundert es einen auch nicht, dass die Landstraße gar böse zu wandeln und zu farn was. 1496 vergaben die Pfarrgenossen deshalb den Straßenunterhalt für neun Jahre weiter an einen Privatmann, den Michael Kempf von Pfronten-Berg.
Dieses Experiment ist wohl nicht zur Zufriedenheit der Pfrontener ausgefallen und deshalb haben sie die Aufgabe wieder selbst in die Hand genommen – und das, obwohl der Bischof das Werk zu wenig bezuschusste und es mit den Vilsern nichts als Schwierigkeiten gab. Dabei war der Aufwand für die rund 2000 Ruten (etwa 3 km) beträchtlich. Fast Jahr für Jahr verzeichnen die ab 1686 erhaltenen Pfarrgemeinderechnungen kleinere und größere Ausgaben allein für das Bekiesen der Straße, die vor allem durch Unwetter immer wieder zerrissen wurde, so dass sie oft kaum befahrbar war. Als der Landesherr 1745 nach Pfronten kam, ordneten die Gemeindeoberen die „Machung der Bruggen und beschittung des Weges“ an, alwo man mit der Hoch fürstl. Durchlaucht am besten Fahren könne.
Der Verlauf der alten Reichs- und Landstraße wird sich weitgehend mit der heutigen Bundesstraße gedeckt haben, allerdings ist in einem Dokument aus dem Jahre 1750 von einer „alten Landstraße“ die Rede. Damals wurde nämlich zwischen Weißbach und Kappel die Ortsverbindung neu trassiert, wobei man einen „Hohlweg“ beseitigt hat. Bei dieser Maßnahme verloren vier Kappeler Bauern beträchtliche Anbauflächen, für die sie jahrelang um eine Entschädigung streiten mussten.
Noch zu Zeiten der Zugehörigkeit Pfrontens zum Hochstift Augsburg wurden also Versuche unternommen, die Landstraße in einen „chauseemäßigen“ Zustand zu versetzen, allerdings weitgehend auf Kosten der Pfarrgemeinde. Ein letztes Mal beschwerten sich die Pfrontener deshalb 1796 ausführlich bei der bischöflichen Regierung. Nach uraltem Recht stünde das Weggeld dem zu, der die Straße unterhalte. Die Pfarrei erhalte zwar jetzt 210 fl aus der staatlichen Weggeldkasse, doch würden die tatsächlichen Kosten diesen Zuschuss um rund 150 fl übersteigen, wobei der Aufwand für das Schneeschaufeln noch gar nicht eingerechnet sei. Man bitte deshalb, dass das Wegegeld der Pfarrgemeinde belassen werde.
Nach dem Untergang des Hochstifts Augsburg fuhr der bayerische Staat mit der Verbesserung der Landstraße zügig fort. Schon 1808 übernahm die Staatskasse alle Brückenbauten und später immer mehr die Unterhaltung der Landstraße selbst. Nach 1836 hat man schließlich eine weitere und letzte Änderung im Straßenverlauf vorgenommen. Weil der Anstieg zur Pfarrkirche hinauf am Gasthof Engel und beim Oberen Wirt vorbei etwas zu steil und im Winter auch gefährlich war, hat man hier am östlichen Rand des Ortsteil eine „Umgehungsstraße“ gebaut.
Das königliche Landgericht in Füssen achtete nun auch streng darauf, dass die Straßen in einem ordnungsgemäßen Zustand waren und der neuen Straßenbauordnung entsprachen. Das war nicht überall in
Pfronten so. Mehrmals kamen Beamte hierher und monierten Missstände, z. B. dass Gebüsch in die Straße hineinrage oder die Durchfahrt durch zu nahe Zäune erschwert werde. Bei Johann Hensel in Ried
(alte Hs.- Nr. 193, nun Cafe Fuchs) müsse die Holzlege zurück gesetzt werden und beim Engelbert Bertle (alte Hs.- Nr. 264, Tiroler Straße 57) fließe das Regenwasser direkt auf die Fahrbahn. Beim
Sebastian Mayr schließlich in Kappel (alte Hs.- Nr. 36, Kappeler Straße 10) liege der Mist teilweise auf der Straße.
Fürwahr, unter diesen Umständen brauchten die Leute damals nichts zur Verkehrsberuhigung tun!
Bertold Pölcher (Pfronten Mosaik, Heft 31, 2005)