Hansmarterweg

"Hansmarte"
 
 
Normalerweise werden nur Persönlichkeiten, die sich um ihre Heimatgemeinde besonders verdient gemacht haben, mit einen eigenen Straßennamen bedacht. Es ehrt die Gemeinde Pfronten, dass sie damit auch einen Mann herausgehoben hat, dessen Leistung für die Öffentlichkeit eigentlich nur darin besteht, dass er ein „echter Pfontner“ war.
Gemeint ist der „Hansmarter“, dessen vollen Namen kaum einer kennt, weil man ihn in ganz Pfronten nie anders nannte. Der „Hansmarter“ hieß in Wirklichkeit Hans Martin Hitzelberger und kam am 30.06.1890 in Pfronten-Berg zur Welt. Er übernahm von seinem Großvater den Bauernhof mit der alten Hausnummer 185 (Kirchsteige 12) und ein Fuhrgeschäft, das - in einer Zeit, wo noch keine Dampflokomotive zwischen Pfronten und Kempten verkehrte - mit einem eisenbereiften [!] Pferdewagen die verschiedenen Güter zwischen den beiden Orten transportierte. Man nannte das Gefährt daher den „Kempter Wagen“. Auch der junge Hans Martin Hitzelberger wird wohl noch dann und wann nach Kempten gekommen sein, denn in Schelldorf lernte er die Berta Walch kennen, die er im Jahre 1921 heiratete.

Das Hauptgeschäft vom Hansmarter aber war der innerörtliche Verkehr: Hitzelberger transportierte alles, was für ein kleines Handwägele zu groß oder zu schwer war. Mal holte er Langholz aus dem Vilstal, mal brachte er Kohlen ins unterste Steinach - und wenn erwünscht - kutschierte er auch Sommerfrischler durch die schöne Pfrontener Landschaft. Auch Dr. Fischer, zusammen mit dem alten Sanitätsrat Dr. Hiller praktizierender Arzt in den 30er Jahren, schätzte seine Dienste, wenn er in einer Winternacht zu einem Patienten gerufen wurde. Angesehen war Hitzelberger aber auch bei den Lausbuben des Ortes, die bisweilen als „blinde Passagiere“ von hinten auf den Wagen sprangen, nicht zur Freude vom Hansmarter. Wenn es zu viele waren, dann konnte es schon vorkommen, dass er mit der Geisel nach hinten schnalzte und das unerbetene Pack handgreiflich vertrieb. Sonst aber wird der Hansmarter als friedlicher und sanfter Mensch beschrieben.

Regelmäßig sah man ihn noch viele, viele Jahre, nachdem das Auto als Verkehrsmittel Ross und Wagen längst überholt hatte. Hitzelberger transportierte nämlich täglich die Milch der Berger Bauern nach Ried in die Käsküche. Ich habe es selbst noch gesehen: Einmal war die Kirchsteige durch Schneeregen etwas rutschig geworden. Da hat der Hansmarter einfach einen Bengel durch die Speichen seiner Hinterräder geschoben. Man kann sich das Gequietsche des Gefährtes leicht ausmalen, aber effektiv war die Methode schon!

Der Hansmarter war ein langer, hagerer Mensch. Mit diesem Aussehen war er geradezu prädestiniert als Fahnenjunker der Veteranen. Ein besonders imposantes Bild gab er aber ab, wenn er auf dem Kutschbock ein Brautpaar um Haupteslänge überragte. Nicht so zu diesem Anblick wollten allerdings die Rösser vom Hansmarter passen. Durch die viele und strenge Arbeit waren sie recht dürr und ausgemergelt. Als einmal ein Bauer seine Tochter hier verheiratete, erschrak der vor den Kleppern und meinte, er hätte wohl besser seine wohlgenährten, niederbayerischen Rösser mitgebracht.

Hans Martin Hitzelberger, ein echtes Pfrontener Original von Schrot und Korn, starb am 9.03.1963 an einer Lungenentzündung. Ganz unprosaisch holte seinen Leichnam eine Benzinkutsche ab, wo er doch fast ein halbes Jahrhundert lang alle Pfrontener mit seinem altertümlichen Leichenwagen zur letzten Ruhe befördert hatte.

Bertold Pölcher (Pfronten Mosaik, Heft 2, 1999)