Hansmarterweg
Das Hauptgeschäft vom Hansmarter aber war der innerörtliche Verkehr: Hitzelberger transportierte alles, was für ein kleines Handwägele zu groß oder zu schwer war. Mal holte er Langholz aus dem
Vilstal, mal brachte er Kohlen ins unterste Steinach - und wenn erwünscht - kutschierte er auch Sommerfrischler durch die schöne Pfrontener Landschaft. Auch Dr. Fischer, zusammen mit dem alten
Sanitätsrat Dr. Hiller praktizierender Arzt in den 30er Jahren, schätzte seine Dienste, wenn er in einer Winternacht zu einem Patienten gerufen wurde. Angesehen war Hitzelberger aber auch bei den
Lausbuben des Ortes, die bisweilen als „blinde Passagiere“ von hinten auf den Wagen sprangen, nicht zur Freude vom Hansmarter. Wenn es zu viele waren, dann konnte es schon vorkommen, dass er mit der
Geisel nach hinten schnalzte und das unerbetene Pack handgreiflich vertrieb. Sonst aber wird der Hansmarter als friedlicher und sanfter Mensch beschrieben.
Regelmäßig sah man ihn noch viele, viele Jahre, nachdem das Auto als Verkehrsmittel Ross und Wagen längst überholt hatte. Hitzelberger transportierte nämlich täglich die Milch der Berger Bauern
nach Ried in die Käsküche. Ich habe es selbst noch gesehen: Einmal war die Kirchsteige durch Schneeregen etwas rutschig geworden. Da hat der Hansmarter einfach einen Bengel durch die Speichen seiner
Hinterräder geschoben. Man kann sich das Gequietsche des Gefährtes leicht ausmalen, aber effektiv war die Methode schon!
Der Hansmarter war ein langer, hagerer Mensch. Mit diesem Aussehen war er geradezu prädestiniert als Fahnenjunker der Veteranen. Ein besonders imposantes Bild gab er aber ab, wenn er auf dem
Kutschbock ein Brautpaar um Haupteslänge überragte. Nicht so zu diesem Anblick wollten allerdings die Rösser vom Hansmarter passen. Durch die viele und strenge Arbeit waren sie recht dürr und
ausgemergelt. Als einmal ein Bauer seine Tochter hier verheiratete, erschrak der vor den Kleppern und meinte, er hätte wohl besser seine wohlgenährten, niederbayerischen Rösser mitgebracht.
Hans Martin Hitzelberger, ein echtes Pfrontener Original von Schrot und Korn, starb am 9.03.1963 an einer Lungenentzündung. Ganz unprosaisch holte seinen Leichnam eine Benzinkutsche ab, wo er doch
fast ein halbes Jahrhundert lang alle Pfrontener mit seinem altertümlichen Leichenwagen zur letzten Ruhe befördert hatte.
Bertold Pölcher (Pfronten Mosaik, Heft 2, 1999)