Dr.-Kohnle-Weg

 
 
 
 
Von der Allgäuer Straße zweigt unterhalb der Kirchsteige zwischen Heimathaus und Pfarrheim eine kleine Straße ab und führt geradewegs auf das Pfrontener Altenheim zu. Für sie hätte es kaum eine passendere Straßenbezeichnung als Dr.-Kohnle-Weg geben können. Hier nämlich hat der damit Geehrte ein sichtbares Zeichen seines Wirkens gesetzt.
Von der Allgäuer Straße zweigt unterhalb der Kirchsteige zwischen Heimathaus und Pfarrheim eine kleine Straße ab und führt geradewegs auf das Pfrontener Altenheim zu. Für sie hätte es kaum eine passendere Straßenbezeichnung als Dr.-Kohnle-Weg geben können. Hier nämlich hat der damit Geehrte ein sichtbares Zeichen seines Wirkens gesetzt.

Aber fangen wir von Vorne an. Ludwig Kohnle kam am 14. Februar 1856 in Donauwörth zur Welt. Im Alter von 15 Jahren ergriff er das Studium der Theologie am Bischöflichen Knabenseminar in Dillingen, das er am 7. August 1881 mit der Priesterweihe abschloss. Seine geistliche Laufbahn begann er 1881 als Stadtkaplan in Neuburg an der Hl. Geist-Kirche. Zur weiteren Ausbildung wurde er dann - gerade ein Jahr später - nach Rom geschickt, wo er an der Animakirche als Kaplan wirkte und zum Dr. jur. can. (Doktor des Kirchenrechts) promovierte. Ab 1884 war er schließlich Stadtkaplan in Dillingen und ab 1885 Präfekt der gleichen Lehranstalt, an der er selbst seine Ausbildung begonnen hatte. Im Jahre 1889 wurde er schließlich als Pfarrer nach Pfronten berufen.

Hier im Allgäu fand, das darf man sicher behaupten, Dr. Kohnle eine neue Heimat. Allerdings fielen ihm auch einige Dinge auf, die im Argen lagen. Es gab für alte, unversorgte Leute keine Zuflucht, Waisenkinder hatten keine entsprechende Betreuung und Schwerkranke konnten erst in Füssen fachgerecht gepflegt werden.

Waisenhaus und darüber die Kohnle-Villa

Mitte der neunziger Jahre passierte dann beim "Ivoner" ein schlimmes Unglück. Ein Arbeiter stürzte von einem Gerüst und verletzte sich so unglücklich, dass er vier Wochen lang auf dem Fußboden des Hauses liegen musste. Während dieser Zeit wurde er von den Bewohnern zwar bereitwillig, aber eben nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst gepflegt. Bald darauf kam dann ein gewisser Besler in Steinach beim Holzfällen unter eine Buche und er starb, obwohl man ihn vielleicht noch hätte retten können, nach 14 Tagen zu Hause unter schrecklichen Schmerzen. Da reifte nach Kohnles eigener Schilderung in ihm der Plan, etwas gegen das vielfache Leid tun zu müssen. "Wie gut", habe er gedacht, "wäre es für eine so große Pfarrei wie Pfronten, hätte sie ein eigenes Heim für verlassene Kinder und Kranke!"

Zunächst schien seine Absicht gut voranzukommen, denn ein alter Mann in Dorf bot dem Pfarrer für sein Vorhaben seinen Hof an. Doch wurde dieses hochherzige Angebot von den Nachbarn, wie Kohnle vermutete, hintertrieben, weil sie fürchteten, dass ein Siechen-(Kranken-)haus mitten im Ort allerhand arme Leute anziehen und die "Liederlichkeit" unterstützt würde, wenn ledige Mütter ihre Kinder hier unterbringen könnten. So musste Kohnle wohl oder übel einen Bauplatz kaufen, der 9.000 Mark kosten sollte. Der war wegen seiner zentralen Lage unter der Kirchhalde ein "goldenes Plätzlein", zumal Pfarrer Kohnle nur über 1.500 M Eigenmittel verfügte. Da kam ihm der Schwiegervater des Pfrontener Arztes Dr. Hiller, Stephan Göppel, zu Hilfe. Er bot dem Bauherrn 25.000 M an, die freilich zu 4 % zu verzinsen waren. Bei der damaligen Geldnot war das ein günstiges Angebot, doch bereitete Pfarrer Kohnle auch das Sorgen. Die letzten 3.000 M wollten nämlich nicht fließen, weil der Gläubiger keine notarielle Schuld-Urkunde ("welche etwas lange auf sich warten musste") bekam. Trotz des Ärgers bezeichnet Dr. Kohnle den Gläubiger Göppel als einen Mann, der sich um das Unternehmen wohl verdient gemacht habe, weil der in den ersten Jahren einen beträchtlichen Teil der Zinsen nachließ.

Hilfe in seiner großen Not fand der Bauherr schließlich Hilfe bei zwei Personen aus Schweinegg, dem todkranken Rasso Berkmiller, der für das Projekt 5.000 M stiftete, und der Witwe Dominika Stapf. Auch die Witwe Karolina Huber vom "Jungeminer" in Steinach und die Witwe Juliana Haslach vom "Obere Wirt" in Berg halfen in augenblicklichen Geldnöten jederzeit bereitwillig aus. Und selbst Benedikt Schwarz von Dorf, der anfangs seinen Hof angeboten hatte, stiftete - gegen den Willen seiner Verwandten - noch 4.700 M. So sah das Werk 1898 seiner Vollendung entgegen, nicht zuletzt, weil es von Pfarrangehörigen vor allem durch Spanndienste unterstützt wurde und der geistliche Bauherr selbst bei den Arbeiten im Steinbruch, in der Sandgrube und beim Abladen von Ziegeln und Zement mit Hand anlegte.

Pfarrer Kohnle war sich bewusst, dass seine neue Anstalt nur lebensfähig sein würde, wenn sie sich selbst versorgen konnte. Er ließ deshalb trotz hoher und vor allem privater Schulden gleich hinter dem "Waisenhaus" ein Ökonomiegebäude aufführen. Dort brachte er auch die Waisenkinder unter, die nach dem Willen der Regierung "in keiner Weise mit Pfründnern und Kranken in Berührung kommen sollten".

Nachdem dann 1898 Augsburger Vinzentinerinnen (OSVvP) mit den ehrwürdigen Schwestern M. Callista und M. Ruffina die Leitung der neuen Anstalt übernommen hatten, füllte sich das Haus schnell mit Leben, zum Leidwesen Kohnles jedoch schneller mit Menschen als mit dem notwendigen Inventar für den Stall. Mit bewundernswerter Hartnäckigkeit erbettelte er deshalb Äcker und Wiesen und eines Tages brachte der Brauereibesitzer Sprenzel aus Nesselwang sein schönstes Kalb.

Man darf wohl vermuten - und aus den Zeilen Dr. Kohnles geht es auch ein wenig hervor, dass sein segensreiches Wirken in Pfronten nicht überall Freunde fand. So übernahm zum Beispiel die Gemeinde nicht seinem Wunsch entsprechend den Waisenhauskomplex in ihr Eigentum und sie zeigte auch wenig Neigung, den Bau eines eigenen Krankenhauses zu unterstützen. Das alles mag ihm seinen Wegzug aus Pfronten etwas erleichtert haben, zumal er sein Werk bei den neuen Eigentümern, den Vinzentinerinnen, in den besten Händen sah. Ab 1903 leitete Dr. Kohnle als Regens das Diözesan-Klerikal-Seminars in Dillingen, das damals immerhin 125 Zöglinge zu Geistlichen heranbildete. Von 1913 bis 1929 war er dann Stadtpfarrer in Pfaffenhofen, wo er wieder segensreich wirkte. Unter ihm wurde das Langhaus der Stadtpfarrkirche um zwei Joche verlängert, außerdem initiierte er auch dort eine Stiftung für arme Kranke. Die Stadt ernannte ihn deshalb zum Ehrenbürger.

Seine Heimat blieb jedoch nach wie vor Pfronten. Bereits 1906 hatte er das Anwesen "bei Wexe" (Hs.-Nr. 174) unter dem Hörnle erwerben können und hier ein repräsentatives Gebäude errichten lassen, das man noch heute Villa Kohnle nennt. Der Bauherr gedachte hier das schon lange geplante Krankenhaus zu installieren, doch wurde "gegen sein Erwarten auch diese Absicht vereitelt". Kohnle richtete sich deshalb hier eine Wohnung für seine Ferien ein, aber er hätte nicht Kohnle geheißen, wenn er seinen ursprünglichen Plan so rasch aufgegeben hätte. 1909 schreibt er, dass hier bei geringen Umbauten zwölf schöne Krankenbetten aufgestellt werden könnten. Doch das kgl. Bezirksamt blieb bei seiner wohl nicht ganz unbegründeten Ansicht, der Bau sei für ein Krankenhaus zu klein, und die Pfarrgemeinde Pfronten zahlte weiterhin brav ihre Umlagen für das Füssener Distriktkrankenhaus, obwohl, so Kohnle, von Pfronten kaum ein Kranker nach Füssen kam.

Im Jahre 1929 setzte sich der Pfaffenhofener Pfarrer zur Ruhe und zog wieder nach Pfronten. Allerdings blieb ihm nicht mehr viel Lebenszeit, um die Früchte seiner aufopfernden Arbeit genießen zu können. Am 21. Sept. 1930 gab er sein erfülltes Leben seinem Schöpfer zurück. Auf dem Sterbebild seht der Spruch: "Bleibt einander nichts schuldig als Liebe."

Dr. Ludwig Kohnle hat es in die Tat umgesetzt!

Bertold Pölcher (Pfronten Mosaik, Heft 15, 2002)