Hiller war am 1.01.1866 in Unterrammingen bei Mindelheim zur Welt gekommen und wirkte seit 1892 in Pfronten. Für seine Aufnahme als Mitbürger hier im Ort musste er seinerzeit 30
Mark bezahlen. Viel Geld, wenn man bedenkt, dass er von der Gemeinde ein Jahresgehalt von nur 500 Mark erhielt! Er bezog das Haus seines Vorgängers Dr. Grahammer am Angerbach (alte Hausnummer 207,
heute Dr.-Hiller-Straße 16) und baute es offenbar für seine Zwecke um. Jedenfalls reichte er 1894 Baupläne ein. Das Gebäude, vorher ein Bauernhof, erhielt nun an der umgestalteten Südfront einen
damals nicht üblichen, repräsentativen Balkon. Wie das Bild von Dr. Hiller zeigt, trug er einen nicht zu übersehenden Schnauzbart. Es klingt daher nicht unwahrscheinlich, dass das Haus dieser
Manneszierde die Bezeichnung „bei Schnauze“ verdankt.
Ein Landarzt hatte damals weite Weg zu bewältigen. Die nächsten Ärzte waren erst in Nesselwang, Seeg, Füssen und Reutte ansässig. 1898 beantragte deshalb Dr. Hiller eine „Radfahrkarte“. Er zählte
damit zu den ersten Pfrontenern, die ein solches Gefährt benutzten.
Als Hiller nach Pfronten kam, engagierte er sich nicht nur mit Erfolg als praktischer Arzt. Zunächst als „Technischer Leiter“ und dann ab 1898 als Vorstand des Verschönerungsvereins Pfronten legte er
mit anderen weitsichtigen Männern in unermüdlicher Kleinarbeit den Grundstock für die Bedeutung Pfrontens als Winter- und Sommerkurort. Erst 1926 gab Hiller den Vorstand an seinen jüngeren
Berufskollegen Dr. Michael Fischer ab. Auch bei der Elektrifizierung seiner hiesigen Heimatgemeinde hat Dr. Hiller offenbar an maßgeblicher Stelle Impulse gesetzt. Beim Bau einer Stauanlage für das
„Elektrizitätswerk Pfronten“ im Achtal unterzeichnete Hiller zusammen mit dem Fabrikanten Adolf Haff wichtige Verträge.
Hiller war also ein Mensch mit großer Tatkraft. Das mussten bisweilen auch seine Patienten erfahren: Bei einem soll er einmal statt eines eiternden Zahnes gleich drei erwischt haben. „De Hiane hoat a
rausdau und dia Gsunde wieder neigschobe!“ Ein anderer, er ist recht alt geworden und noch gar nicht lange tot, klagte: „Dr Hiller hoat mi auf de Wealt broacht! I hau heit no d Läscht drmit.“ Das
Büble war nämlich per Zangengeburt auf die Welt gekommen und dabei hatte ihm der Geburtshelfer ein Bein am Schädelknochen eingedrückt. „Mei Kopf hoat ausgluget wie a langer Kipf! Noa hoat er en mea
zreachtkneatet!“
Aber die Mehrzahl seiner Mitbürger war offensichtlich mit Dr. Hiller sehr zufrieden: Für seine Tätigkeit haben ihm seine Pfrontener die Ehrenbürgerwürde zugedacht. Das wird wohl im Jahre 1933 gewesen
sein, wo die Gemeinde eine Linde gepflanzt und sie mit einer Umzäunung versehen hat.
Am 12. August 1939 verstarb Dr. Hiller nach mehrwöchigem Leiden in München. Im Nachruf heißt es: Der Tod dieses Mannes wird in Pfronten in jedem Hause tiefe Trauer auslösen: War doch Herr Sanitätsrat
Hiller ein Arzt und Menschenfreund von seltenem Idealismus, Tag und Nacht gleich hilfsbereit, stets zuvorkommend und liebenswürdig. Für ihn war der Patient nicht nur „ein Fall“, sondern stets und
ausschließlich Mensch, dem er mit einer Energie ohnegleichen, die er bis ins hohe Alter behielt, Hilfe bringen wollte. Alle seine Patienten werden wissen, daß S. R. Hiller Arzt und wieder Arzt war
und er kaum daran dachte, daß seine Hilfestellung auch Geldeswert hätte.
Am 15. August 1939 wurde Hiller, der auch Ehrenbürger von Vils in Tirol war, nach über 47 Jahren segensreicher Tätigkeit unter überwältigender Beteiligung der hiesigen Bevölkerung in Pfronten zu
Grabe getragen.
Bertold Pölcher (Pfronten Mosaik, Heft 1, 1999)
Dr.-Hiller-Straße
Mit der Zunahme der wissenschaftlich ausgebildeten Ärzte in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts bemühte sich auch Pfronten um eine bessere medizinische Versorgung. Nach
kürzeren Gastspielen verschiedener Doktoren war Dr. Josef Hiller der erste, der seinen Pfrontenern jahrzehntelang die Treue hielt.