Woher unsere Straßen ihren Namen haben:
Bläsesweg und Gießbachweg
Der Straßenname Bläsesweg klingt zunächst einmal etwas seltsam. Dabei ist er sehr leicht zu erklären. Eigentlich müsste er ja Bläsesmühlweg heißen, denn er führt von der oberen Vilsbrücke her kommend geradewegs auf ein altes Mühlanwesen zu. Jetzt muss man nur noch wissen, dass das zweite –s im Straßennamen wegen eines besitzanzeigenden Genitivs angehängt wurde. Damit ist klar, dass mit "Bläse" ein Blasius gemeint ist, dem einmal die Mühle gehört hat.
Dieser Blasius ist in den alten Dokumenten schnell zu finden. Er ist so um 1670 in Nesselwang auf die Welt gekommen, hatte aber einen typischen Pfrontner Familiennamen, nämlich Babel. 1694 hat der Blasius Babel in die Heitlerner Mühle eingeheiratet. Seine angehende Ehefrau hieß Katharina und war die Tochter des Müllers Lorenz Wetzer. Die Braut war bei der Hochzeit für damalige Verhältnisse noch ungewöhnlich jung, nämlich erst 18 Jahre alt. Aber ihre Verehelichung war notwendig, weil ihr Vater im Jahr zuvor als Witwer gestorben war und die Mühle nun dringend einen Müller brauchte. Es war also wohl eher eine arrangierte Heirat, aber immerhin: Das Ehepaar Babel brachte es auf 13 Kinder!
Sonst wissen wir von Blasius Babel und seiner Frau nicht sehr viel. Der Ortschronist Liborius Scholz überliefert, dass im Jahre 1730 die Heitlerner Mühle abgebrannt sei. Leider lässt sich diese Information nicht nachprüfen, aber wenn es dort wirklich gebrannt hat, kann der Schaden nicht so groß gewesen sein. 1735 gehörte nämlich der Heitlerner Müller immer noch zu den Pfrontnern, die Spitzensteuerzahler waren!
Der Besitzer aber hatte inzwischen schon wieder gewechselt. Nun war es der Sohn des Blasius, namens Franz Babel. Im Jahr zuvor, 1734, hatte nämlich eine Seuche gewütet, die sich durch heftiges Fieber bemerkbar machte. Allein im November raffte diese Krankheit in Pfronten 22 Personen hinweg, junge und alte. Darunter war auch der Blasius, der am 17. November daran starb. Angesteckt wurde aber auch seine Frau Katharina, die man vier Wochen später auf den Gottesacker trug. So wiederholte sich das Unglück, das die Mühle schon eine Generation zuvor getroffen hatte.
Von den alten Mahlmühlen in Pfronten dürfte die Bläsismühle zuletzt entstanden sein. 1587 ruhte noch kein "Recht" darauf. Aber der damalige Müller Laux Strobel wollte mit "Feuer und Rauch" hier wohnen und deshalb brauchte er ein Orts- und Pfarrgemeinderecht, das ihm die Heitlerner gewährten. Es kam von einem abgebrochenen Anwesen in der Nähe von St. Leonhard. Allerdings musste Strobel Verpflichtungen eingehen: Über seinen Grund und Boden, zwischen Mühle und Vils, führte nämlich der Viehtrieb ins Vilstal. Deshalb ließen sich die Heitlerner Bauern protokollieren, dass ihnen der Müller jederzeit den Durchzug ihrer Herde gewähren werde. Außerdem wurde vereinbart, dass Strobel bei einer Reparatur der (oberen) Brücke über die Vils helfen und das Holz für das Wuhr (Staustufe) oberhalb der Mühle liefern werde.
Dieses Wuhr war notwendig, damit der Müller das Wasser für den Antrieb seiner Mühlräder aus der Vils ableiten konnte. Es lief dann im sogenannten Gießen zur Mühle und nach verrichteter Arbeit östlich vom "Hummelbaur" (Obweg 44, alte Hausnummer 418) wieder in die Vils zurück. Vorher aber, wo der Kanal den ehemaligen Viehtrieb und heutigen Obweg quert, dort zweigt jetzt ein kleines Stichsträßchen ab, das parallel zum Kanal angelegt wurde und deshalb den Namen Gießbachweg erhielt.
Etwa 30 m nach der Brücke konnte das Wasser aus dem Bläsismühl-Gießen ("Gießen 1") noch einmal abgeleitet werden und zwar zur früheren Hammerschmiede des Anton Mayr (Adolf-Haff-Weg 30, "Christianesse Schmiede", alte Hausnummer 434/4). Das Urkataster von 1818 zeigt aber seltsamerweise zwei Kanäle. Der nördlichere Wasserlauf war vermutlich der ältere. Er ist in der Karte als "Gießen 2 (alt?)" bezeichnet. Möglicherweise wegen einer günstigeren Rückstaumöglichkeit wurde später etwas südlich davon ein zweiter Kanal gegraben, als "Gießen 2 (neu?)" bezeichnet. Er ist noch auf einer alten Zeichnung von etwa 1925 zu sehen. Heute sind beide Kanäle verfüllt und kaum mehr im Gelände zu beobachten.
Nur der ursprüngliche Bläsismühl-Gießen plätschert noch munter und treibt zwei Mühlräder, die der mühlenbegeisterte derzeitige "Müller" samt einer kompletten alten Mühle wieder aufgebaut hat. Unter seinen Vorgängern aber gab es wegen des Kanals immer wieder mal Probleme mit der Gemeinde Heitlern. Denn bisweilen lief das Wasser nicht ordnungsgemäß in die Vils ab, sondern überflutete die Felder der Bauern bis hinab zur Landstraße. Der Grund ist nicht bekannt, aber es scheint, dass im Winter der Kanal bei der Viehweid-Brücke völlig zugefror und so das Wasser bei Tauwetter ins Dorf lief.
1744 kam es deshalb zu einem Vertrag zwischen dem Müller und der Gemeinde. Darin versprach der Müller, dass er das Wasser, das er jederzeit zu seinem mihlwerckh nöttig habe, in die Vils= und also in das recht bachmutter oder wasserlaiss einleiten werde. Das sollte für den Winter gelten. Sommers zeit aber köne er vor nichts sich obligieren. Für dieses Entgegenkommen erklärten die Heitlerner, die pruggen welliche ober dess schmidts garten im trieb ÿber das wasser gehet zu winters zeit umb allerheÿligen tag abzuhöben und nur zur sommers zeit stehen zu lassen. Viel war das nicht, was der Franz Babel da versprach, allerdings verpflichtete er sich, auf eigene Kosten bei der "Wieren" (also beim heutigen Tennisheim) eine Brücke zu errichten, die im Sommer und Winter stehen bleiben sollte und jeder nach Gebrauch nutzen dürfe. Weil die Protokolle dann bis 1764 nicht mehr vorhanden sind, wissen wir nicht, ob mit der Abmachung der Friede im Ort wieder dauerhaft hergestellt worden ist. Wollen wir es hoffen!
Man kann sich die Köpfe heiß reden: Ist nun Bläsesweg (vom mundartlich gesprochenen "Bläse") oder Bläsisweg (vom "Blasius") die richtige Schreibweise? Beides ist eigentlich richtig. Wir haben einen Kompromiss gemacht: Bläsesweg und Bläsismühle!
Bertold Pölcher in: Pfronten Mosaik Heft 61, Januar 2013
Das Mühlenmuseum bei Bläsismühle kann nach Anmeldung im Tourismusbüro besichtigt werden.