Am Kurpark
Wenn ein Pfrontner, der vor 200 Jahren hier gelebt hat, in den heutigen Kurpark käme, der würde sich sicher die Augen reiben. Da hat sich ganz schön was getan!
Aber fangen wir von vorne an. Vor 1800 war die Vils durch Uferverbauungen noch nicht gebändigt. Sie bahnte sich – nach ihrem Austritt vom Vilstal – selbst ihren Weg durch die heutigen Fluren von Ried und Heitlern und veränderte nach jedem der häufigen Hochwasser ihren Lauf. Den Hauptarm des Flusses nannte man früher die „Bachmutter“. Schade, dass dieser bildhafte Begriff nun ausgestorben ist!
Links und rechts der Bachmutter dehnte sich ein mal engeres, mal breiteres Überschwemmungsgebiet aus, das nur die Ansiedlung und das Emporkommen von anspruchslosen Pflanzen und Sträuchern erlaubte. Das wasserreiche, aber humusarme Gebiet bevorzugten vor allem Weiden. Deshalb bezeichneten die Pfrontner dieses unergiebige Land auch mit „Weidach“. Wo es nicht gefährlich war, da trieb der Dorfhirte seine Herde zur Futtersuche hin.
1807 erstellte der Trigonometer Johann Martin Hörmann, der Sohn des gleichnamigen Gemeindevorstehers, Pläne zur Zähmung des Flusses von Bläsismühle bis zur Manze mit Pfählen und Faschinen. Aber erst 1821/22 sind in den Gemeinderechnungen Ausgaben für die Aufsicht bei der Vilskorrection verzeichnet. Der verantwortliche Mann, der Vater des Planzeichners, erhielt dafür satte 35 Gulden 36 Kreuzer. Allerdings war er für diese Entlohnung ganze 44 ½ Tage unterwegs. Auch in den beiden weiteren Jahren hatten er und sein Steinacher Amtskollege Martin Lotter noch viel zu tun. Das war aber erst der Anfang!
Am 23. Juni 1836 fand ein Ortstermin statt, wo durch den kgl. Landrichter festgestellt wurde, dass die Flussregulierung „ein entschiedenes Bedürfnis“ sei, und wo er die Hoffnung äußerte, dass dem „sachkundigen Techniker der kgl. Bauinspektion Kempten“ von Seiten der Gemeinde jede nur erdenkliche Hilfe zuteil werde, damit „der Willkür des reißenden Vilsflusses“ Einhalt geboten werde.
Aber die Planungen und die nachgehenden Arbeiten zogen sich offenbar noch Jahrzehnte hin. Erst 1894 sind sie wohl abgeschlossen gewesen – und da war die Gemeinde dann auch in finanziellen Nöten. In diesem Jahr erhielt sie nämlich 4000 Mark aus der „Kulturrentenbank München“ zur Tilgung der Schulden. Der Kassier der „Vilskorrektionskasse“ war damals der Engelwirt Alois Stegmiller in Berg.
Inzwischen hatte der Tourismus, zunächst noch zaghaft, seinen Einzug in Pfronten gehalten. Für die immer zahlreicheren Gäste musste man aber auch etwas tun. Dazu bot sich das – von der Vils nun nicht mehr bedrohte – „Obere Weidach“ in Heitlern an. Hier entstand schon vor 1905 ein „Schwimmbad“, das im „Illustrierten Führer durch Pfronten von 1924 so angepriesen wird: „Eine sehr schöne Badeanstalt, deren reines Gebirgswasser (durch Vorwärmer etwas temperiert) äußerst erfrischend wirkt. (Herren- und Damenschwimmbad, Einzelkabinen). In den schattigen Anlagen zahlreiche, hübsche Ruhebänke.“ Der „Vorwärmer“ war natürlich keine Heizung, das war ein Staubecken, wo sich das kalte Vilswasser leidlich „erwärmen“ konnte. Es befand sich etwas oberhalb, nämlich dort, wo nun das Eisstadion steht.
1928, mit der Einweihung des neuen (und heute auch schon wieder aufgelösten) Schwimmbades in Steinach, verlor die „Badeanstalt“ im Weidach ihre Bedeutung. Nach und nach füllte sich das Schwimmbecken mit Schlamm und Unrat. Nur der „Vorwärmer“ fand eine neue Bestimmung. Im Winter konnte man hier, wenn nicht gerade das Eis für die Kühlung der Wirtshauskeller abtransportiert war, seine Zeit beim Eisstockschieben vertreiben und im Sommer ergötzten sich die Leute beim Kahnfahren. Im übrigen „Kurpark“ wurden zwar die Wege einigermaßen in Ordnung gehalten und es fanden auch Standkonzerte statt, aber sonst waren die Anlagen in einem „sehr naturnahen“ Zustand.
Nach dem Krieg räumten dann junge Leute aus Heitlern das ehemalige, betonierte Schwimmbecken aus und installierten darin einen „Tennisplatz“. Danach nutzen sie es noch für eine Forellenzucht, die aber sehr bald ihr Ende fand, nachdem die Fische über Nacht verschwunden waren.
Erst 1951, als der Verschönerungsverein das Weidach der Gemeinde Pfronten überlassen hatte, entstand so nach und nach eine Parkanlage, die den Namen auch verdiente. Das Schwimmbecken wurde zum Teil aufgefüllt und erhielt einen Springbrunnen. Neue Ruhebänke und gepflegte Blumenrabatten luden nun zum Verweilen ein.
Aber es dauerte noch genau 50 Jahre, bis der Kurpark sein heutiges, repräsentatives Aussehen erhielt. Nun verbinden verschlungene Wege die „Wasserspiele“ im Zentrum mit einer einladenden Kneipanlage und dem Musikpavillon. Sogar die alte Hammerschmiede wurde restauriert und für Vorführungen wieder in Gang gebracht. Körperlich oder geistig aktive Besucher können sich auf der Bocciabahn oder an einem Schachfeld betätigen.
Auch an die Jugend, bei der es immer etwas lauter zugeht, hat man gedacht: Im westlich angrenzenden Teil in der Nähe des Eisstadions bietet ein Abenteuerspielplatz mit seinen Schaukeln und Klettergeräten reichlich Gelegenheit zum Austoben.
Die Freunde moderner Plastik finden in der Ruhezone des Parks seit 2003 einige bemerkenswerte Kunstobjekte. Unter anderen bewegen sich anmutig im Wind die „Flügel der Zeit“ und dreizehn eigenständige, aber oben durch ein ringförmiges Geflecht verbundene Stämme, symbolisieren die aus dreizehn einzelnen Ortsteilen bestehende Gemeinde Pfronten.
Bertold Pölcher: in Pfronten Mosaik Heft 58, 2011